Amritsar, der Goldene Tempel, das Heiligtum der Sikh. Dieser Ort lag nicht unbedingt „auf dem Weg“ aber ich konnte und wollte nicht auf einen Abstecher hierhin verzichten. Zum Glück kann man in Indischen Zügen über Nacht viele Kilometer zurücklegen und da wären wir, willkommen in Punjab. Panjabi sind im Gegensatz zum sagen wir mal „Durchschnittsinder“ relativ groß und kräftig. Sie meinen das liegt daran, dass Sie schon immer eine Grenzregion waren und zur Verteidigung des Landes ist es ganz praktisch wenn man schon aussieht wie ein Krieger. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass hier die größte Population der Sikh lebt, für die ein Leben als Krieger eine große Ehre bedeutet und die im Kampf gefürchtet waren. Die Sikh sind die mit den Turbanen, ein klassisches Bild was man von Indern hat, bevor man in Indien war. Sikhismus als Religion ist im 15. Jahrhundert entstanden und hat ca. 23 Millionen Anhänger, die meisten von Ihnen leben in Nordindien also trägt fast jeder Mann hier eine Turban in den schönsten Farben und ganz im Ernst, sie sehen damit einfach nur super cool aus! In Wahrheit verbergen sie darunter aber meistens eine ganze Menge Haare, denn als Zeichen der Religionszugehörikeit werden diese nicht mehr geschnitten.
Der Goldene Tempel hier in Amritsar, oder eher das ihn umgebende Wasser, ist sowas wie das größte Heiligtum der Sikh und damit auch eine riesige Pilgerstätte die jeder Sikh mindestens einmal im Leben besuchen möchte. Man glaubt das Wasser habe heilende Kräfte und darum wird hier auch fleißig gebadet, die Frauen haben einen extra abgeschirmten Bereich. Der Tempelkomplex, genannt Harmandir Sahib wir durch eines der 4 Tore betreten nachdem man die Schuhe abgegeben hat und mit den Füße einmal durch ein Wasserbecken gestiefelt ist. Und da ist er, in der Mitte des Wasserbeckens schwebt der goldenen Tempel. Seine Kuppel hat aus 750kg Gold (der Name kommt ja nicht von ungefähr) und rundrum schreitet man auf einem Weg aus weißem Marmor. Aus den Lautsprechern kommen Gebete und überhaupt ist die Atmosphäre hier ziemlich einmalig. Der Besitzer unseres Hostels (sehr zu empfehlen) nimmt uns mit auf eine Tour und so trauen wir uns auch in die riesige Essenshalle in der jeden Tag im Jahr, 24 Stunden am Tag Essen an die Pilger ausgeteilt wird. Es gibt Dhal, Chapati und süßen Reis. Wie am Fließband bekommt man erst Teller und Besteck, setzt sich dann auf den Boden zu den anderen Pilgern und bekommt dann sein Essen mit einer dicken Kelle aus großen Töpfen auf den Teller geflatscht. Ahnlich wie in der Schulkantine, nur dass man sich nicht anstellen muss, sondern dass das Essen zu einem gefahren wird und man so lange Nachschlag bekommt, bis man satt ist. Diese riesige Maschinerie basiert auf Freiwilligenarbeit und Spenden und versorgt am Tag zwischen 60.000 und 80.000 hungrige Pilger. Es ist ein Zeichen der Gastfreundschaft der Sikh und wirklich einzigartig. Durch die Führung können wir einen Blick hinter die Kulissen werfen und nicht nur die riesigen Töpe sind bewundernswert, sondern auch die Effektivität beim Abwaschen. Wir dürfen sogar selbst mit anpacken und ich helfe kurz beim Formen der Chapati, yeah.
Neben der Küche und der ganzen Atmosphäre, gibt es noch eine Besonderheit im Goldenen Tempel die nicht unerwähnt bleiben darf. Für mich als Atheistin mit leichtem Hang zur Spiritualität war es schon immer spannend, Menschen und ihren Umgang mit Glauben und Religion zu beobachten. In Indien gibt es dazu sehr viel Gelegenheit und der Besuch in Amritsar hatte dabei einen besonderen Teil beigetragen.
Die Lehre der Sikh wurde durch Gurus verbreitet, die ihr Wissen in einem Buch festhielten, dem Guru Granth Sahib als religiöses Vermächtnis. Normalerweise war es Brauch, dass ein Guru seinen Nachfolger benennt aber 1708 hat der zehnte Guru keinen Nachfolger bestimmt und meinte, man solle im Buch nach den Antworten suchen. Also ist das Buch jetzt der Guru und bekommt täglich morgens und abends eine eigene Zeremonie die ziemlich skuril klingt aber wirklich faszinierend war. Gemeinsam mit einigen Waffen wird das Buch, der Guru Granthien Sahib, nämlich jeden Abend auf einer goldenen Senfte aus dem Goldenen Tempel in das Gebäude gegenüber getragen um es dort ins Bett zu legen. Ja genau, das Buch hat ein Bett wo es zusamen mit ein paar Waffen nachts schlafen gelegt wird. Dabei wird jeweils neue Bettwäsche bezogen (auch auf der Senfte) und jeder will dabei zugucken und die Senfte berühren. Am nächsten Morgen wird das Buch wieder zurück in den Goldenen Tempel getragen. Wir waren dabei als das Buch schlafen gelegt wurde und das war eine einmalige Erfahrung.
Reiseinformationen Amritsar nach Agra:
Wir sind über Nacht mit dem 18508 HIRAKUD Express gefahren. Bei der Buchung war uns unser Hostel behilflich.
– Abfahrt: 23:45 JP ASR Amritsar Junction
– Ankunft: 11:45 Agra Cantt. AGC
– Entfernung: 643 km
– Preis: 1215 INR pro Person (AC3, Taktal Ticket)