» » » Iran – (m)eine Liebeserklärung

Iran – (m)eine Liebeserklärung

eingetragen in: Allgemein // General, Iran | 5

Als ich erwähnte dass wir vorhaben in den Iran zu reisen, waren die Reaktionen darauf sehr durchwachsen. Für ganz Wenige klang das interessant. Der Großteil der Reaktionen fiel eher so aus: Ist das nicht gefährlich? Was willst du denn im Iran? Ist da nicht Krieg? Passt auf euch auf! Manchmal kam es sogar zu Diskussionen wie man die Reise dahin denn so auf die leichte Schulter nehmen kann etc.

Ich habe mich also schon vor der Reise gezwungen gesehen Vorurteile über ein Land auszuräumen, was ich noch nicht mal besucht hatte. Wenn man allerdings ausschließlich die Berichterstattung der westlichen Medien verfolgt, Nichts über die Hintergründe und die Geschichte des Landes weiß und man an Geschichte an sich sowieso nie interessiert war, dann kann man vielleicht auch zu dem Schluss kommen der Iran wäre ein Land voller fanatischer Gotteskrieger & Terroristen die unter ihren Burkas Atombomben bauen und „down with USA“ brüllen und somit auf keinen Fall ein Land, in das man reisen sollte.

Und jetzt kommt der Moment in dem ich die Schublade mit den Vorurteilen wieder aufziehe und sage: stimmt nicht!

Ja, im Iran muss man als Frau Hijab tragen, d.h. die Haare bedecken, keinen Ausschnitt zeigen und Minirock ist auch eher raus aber die Kopfbedeckung der Frauen und Mädchen hier ist manchmal soweit nach hinten geschoben wie es nur geht und es kann schon mal passieren, dass man einen Iranischen Haushalt betritt und die Dame des Hauses dich in Top und Jogginghose empfängt und dir gleich als erstes sagt du sollst bitte dein Koptuch abmachen. Gleichzeitig tragen vor allem ältere Frauen oft einen schwarzen Tschador (nein, keine Burka) und das bestimmt durchaus das Straßenbild.

Ja, der Iran liegt mitten im Nahen Osten, umringt von so genannten Krisenherden und wird von vielen Menschen nur mit den seit Jahren andauernden Diskussionen und Verhandlungen rund um das Atomprogramm in Verbindung gebracht (während ich das hier schreibe sind die Verhandlungen übrigens gerade abgeschlossen bzw. die Eckpunkte geregelt). Das heißt aber nicht, dass man Bedenken haben müsste durch das Land zu reisen. Sicherlich ist es besser gewisse Grenzregionen nur mit Vorsicht aufzusuchen aber das ist in vielen anderen Ländern auch der Fall. Ich möchte mir nicht anmaßen über die politischen Entscheidungen dieses Landes zu urteilen aber ich möchte dazu anregen, die Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

Und ja, der Iran ist ein Land in dem der Islam die Staatsreligion ist (so wie viele andere auch) und in dem trotz demokratischer Präsidentschaftswahlen das Staatsoberhaupt ein geistlicher Führer ist, der natürlich massiven Einluss auf das politische Geschehen hat. Während aber die Pressefreiheit eingeschränkt ist und der Zugang zu bestimmten Medienangeboten nicht gewährleistet ist, benutzt jeder einen Proxi für Facebook & Co. und empängt über Satellit nicht nur die Iranischen Programme aus dem Ausland, sondern so gut wie jeden anderen Sender auch. Der Iran ist ein modernes Land in dem Frauen studieren und sich die Filmszene einen guten internationalen Ruf erarbeitet hat.

Neben alldem hat der Iran noch viele andere Seiten. Die ersten Nachweise des geschriebenen Wortes sind angeblich im Iran gefunden worden, die Elamiden waren eine der Hochkulturen, hier Begannen Aufstieg und Fall des Perserreiches, die Seidenstraße führte mitten durch das Land und die Liste der UNESCO Weltkulturerbestätten ist lang. Falls Kultur oder Menschheitsgeschichte nicht ausreichen, kann die Landschaft Abhilfe schaffen, denn hier wechselt sich der höchste Berg des Mittleren Ostens mit der nächsten Sandwüste ab. Im Norden grenzt der Iran an das Kaspische Meer und im Süden an den Persischen Golf und in der Nähe von Teheran kann man sogar Skifahren. Nix mit karger Wüste also, denn der Iran ist erstaunlich grün (auch schon im Winter) und die Persischen Gärten sind legendär.

Und zu guter Letzt sind es die Perser selbst, die einen Besuch im Iran so lohnenswert machen. Noch nie in meinem Leben habe ich soviel Gastfreundschaft erfahren wie hier. Diese Menschen sind einfach unglaublich freundlich, interessiert und hilfsbereit, dass man manchmal sprachlos zurückdenkt und sich fragt: ist das gerade wirklich passiert? Junge Frauen bieten dir in der Metro einen Platz an und geben dir nach einem kurzen Smalltalk ihre Telefonnummer, falls du Hilfe brauchst. Und während die Eine ausssteigt, schenkt dir die Nächste einen Kaugummi. Ältere Damen fragen wo du herkommt, heißen dich im Iran willkommen und zeigen dir auch gleich ihre Tochter die gegenüber sitzt. Im Bus kommst du sofort mit deiner Nachbarin ins Gespräch und es wird auch immer aufgepasst, dass du deine Haltestelle nicht verpasst und du weißt wo es langgeht und wenn es kompliziert ist, wird jemand aufgetrieben der mit aussteigt und dich hinbringt. Manchmal sitzt man einfach in der Gegend rum, wird angequatscht und bekommt Telefonnummern falls man abends zum Essen kommen will oder eine Frage hat. Du kriegst beim Straßenbäcker Brot geschenkt oder an der Hintertür der Bäckerei frisch gebackene Kekse, weil der Duft dich angelockt hat. Für Perser ist es ein Geschenk Gäste zu haben und dass spürt man, denn alte Freunde werden hier genauso behandelt wie neue Bekannte.

Eine Sache die mir ebenalls in Erinnerung bleiben wird, ist der Stolz der Perser auf ihre Geschichte, ihr Land und ihre Kultur. Sie möchten das weitergeben und so erfährst du mit jeder Unterhaltung mehr über das Land und die Menschen. Dabei sind sie sehr reflektiert gegenüber der Regierung und trauen sich offen und ehrlich Ihre Meinung zu sagen. Gleichzeitig sind sie auch sehr besorgt über Ihr Ansehen in andern Ländern. Sie möchten wissen was man im Ausland über den Iran denkt und sind besorgt man hätte ein schlechtes Bild von Ihnen, was ja leider teilweise auch der Fall ist. Umso mehr freuen Sie sich aber dass man da ist, ihr wunderschönes Land besucht und so tun sie alles dafür, dass man sich wohlühlt.

Nach einem Monat im Iran haben sich diese Menschen einen besonderen Platz in meinem Herzen erobert. Unsere Couchsurfing Hosts, die alle auf eine andere Weise dazu beigetragen haben dieses Land besser zu verstehen, die vielen Gespräche mit wildfremden Leuten auf der Straße, in Bussen und Bahnen und die unzähligen Willkommensgrüße lassen mich hoffen, dass ich irgendwann mal wieder zurückkehre in dieses Land mit diesen besonderen Menschen.

Sollte man also in den Iran reisen? Unbedingt, aber nur wenn man bereit ist alle Vorurteile über den Haufen zu werfen um diesem Land und seinen Menschen offen gegenüberzustehen.

5 Antworten

  1. Bere
    |

    Sehr schöner Text. Ich sehe das genauso. Leider herrscht in den europäischen Medien ei mehr oder minder antiiranischer Wind, dem man nicht komplett verfallen sollte. Denn dieses Land hat abgesehen vom politischen System viele wunderbare Seiten. Besonders die Menschen werden mir auf immer im Gedächtnis bleiben. Jedoch fühlen sich viele Perser von der Revolution getäuscht und verraten. Denn besonders die wirtschaftlichen Sanktionen treffen das Land hart, auch wenn man im Alltag nicht viel davon merkt. Vor allem die starke Inflation sorgt dafür, dass viele Perser ihr Gehalt zügig in ausländische Devisen eintauschen, um einem zu starken Wertverlust ihres Geldes entgegenzuwirken. Auch der Import von Konsumgütern unterliegt strengen Auflagen, so dass teure Anschaffungen häufig über Mittelsmänner abgewickelt werden müssen, was Zeit, Geld und Nerven kostet. Positiv ist jedoch, dass es auch im Iran einen privaten Freiraum gibt und das Land sich über die letzten Jahre Stück für Stück langsam immer weiter liberalisiert hat. Hoffentlich wird es in der Atomfrage bald zu einer Einigung und einer Aufhebung der Sanktionen kommen. Ich wünsche es den Persern sehr.

    • melanie
      |

      Und ich bin vor Allem gespannt wie sich das Land dann verändert. Trotz oder gerade wegen der seit Jahren anhaltenden Sanktionen, hat sich dieses Land weiterentwickelt und ist eben weniger Rückständig als Manche glauben. Auf dieser Einigung ruhen sehr viele Hoffnungen seitens der Perser, ich hoffe sie werden nicht enttäuscht…

  2. Claudi
    |

    Habe mich ein klein wenig ertappt gefühlt mit den Vorurteilen. Und bin gespannt auf der Geschichte mit dem Opi auf dem Canapé – ihr beide seht aus, als wäre irgendwas sehr lustig!

  3. Reza
    |

    Ich als iraner fühle mich geehrt, dass so über meine Heimat geschrieben wird. Die Vorurteile sind echt hart und beeinflussen die Menschen hier sehr stark. Da freue ich mich, dass eine Person wie Sie meine Heimat besucht hat und das Land so betrachtet wie ich und viele meiner Landsleute. Ich bedanke mich dass sie mein Land so dargestellt haben wie es tatsächlich ist, ohne Voeurteile ect. Vieleicht besuchen Sie ja auch weitere iranische Städte, das Land hat noch einiges zu bieten.

    • melanie
      |

      Vielen Dank, ich wollte einfach meine durchweg positiven Erlebnisse zum Ausruck bringen, gerade weil der Iran mit so vielen Vorurteilen zu kämpfen hat. Ich hoffe dass viel mehr Menschen den Weg in dieses wunderschöne Land finden uns sich selbst davon überzeugen können. Für mich steht fest dass ich gerne wiederkommen möchte um noch mehr von Land und Leuten erleben zu können 🙂

Kommentare sind geschlossen.